Das nackte Hinterteil war nicht zu übersehen. Immerhin füllte es die Windschutzscheibe des Pkw gut aus. Und der helle Tag enthüllte auch gleich, warum das Gesäß sich auf dem Armaturenbrett breitgemacht hatte: Die dazugehörige Frau genoss sichtlich Oralsex mit einem Mann im Auto. Ein Anblick wie aus einem Pornostreifen. Der bot sich allerdings nicht auf einer kostenpflichtigen Internetseite, sondern gratis auf dem Parkplatz an der Schulstraße in Nordbögge.
Bönen - Die Betrachterin hätte gleichwohl gerne darauf verzichtet. Sie fühlt sich durch die öffentliche Zurschaustellung belästigt und in ihrem Schamgefühl verletzt.
Damit ist die Frau nicht allein. Der Akt am Nachmittag war nämlich kein Einzelfall. „Das ufert aus“, schildert die Anwohnerin. Seit Monaten herrsche „buntes Treiben“ gegenüber des Friedhofes in Nordbögge. Im Sommer sei es besonders heftig gewesen. Doch selbst bei kühleren Temperaturen im Herbst und Winter steht der Koitus im parkenden Auto offenbar weiterhin hoch im Kurs. Mal vormittags, mal nachmittags, abends sowieso.
„Wenn es dunkel ist, ist mir das egal. Wenn ich es nicht sehen muss, können die machen, was sie wollen. Aber die präsentieren sich ja regelrecht“, beschreibt die Nordböggerin. Auf die Tageszeit nehmen die Paarungswilligen aber keine Rücksicht. Besonders der Freitagnachmittag scheint demnach eine echte „Stoßzeit“ zu sein.
Gerade zu dieser Zeit besuchen viele Angehörige die Gräber ihrer Lieben auf der gegenüberliegenden Ruhestätte und stellen dazu ihr Auto auf dem Parkplatz ab. Dort stehen die mobilen Liebesnester meist schräg zur Straße vor dem kleinen Wald, wie Passanten berichten. Zwar hätten einige Fahrzeuge getönte Heckscheiben, doch wer auf den ausgewiesenen Wanderwegen A1 und 5 aus dem Jungholz geht, der bekommt den vollen Panoramablick – ob er will oder nicht.
Von den unfreiwilligen Zuschauern gestört fühlen sich die Beteiligten in den Autos anscheinend nicht. „Die kennen keine Scham, die machen einfach weiter“, schildert die Anwohnerin. Das haben ihr mehrere Nachbarn bestätigt, die die Strecke ebenso regelmäßig mit ihren Hunden entlanggehen.
Schmutzige Beweise für ihre Beobachtungen gibt es reichlich: Zurück lassen die freizügigen Paare jede Menge Feuchttücher und immer wieder Kondome, die auf dem Schotter und im Gras liegen. „Wer bei einer großen Beerdigung auf dem Parkplatz parkt, der tritt beim Aussteigen womöglich in die Kondome“, befürchtet die Nordböggerin. Zum Glück werde der Bereich stetig gereinigt. Für diejenigen, die den Unrat aufheben müssen, sei das freilich eine besonders widerliche Angelegenheit.
Nicht immer bleiben die Sexpartner übrigens im Auto. Gelegentlich sind sie darüber hinaus im angrenzenden Gehölz beschäftigt, wie die Hundebesitzerin festgestellt hat.
Ob sich an der Schulstraße nun liebeshungrige Menschen mit einem exhibitionistischen Hang zum Sex verabreden, Verliebte sich hemmungslos ihrer Leidenschaft hingeben oder Prostituierte dort ihre professionellen Liebesdienste verkaufen, können die Anwohner schlecht einordnen. Fest steht, dass oftmals die gleichen Pkw an Ort und Stelle stehen und für intime Treffen genutzt werden. Sie sollen Kennzeichen aus dem Kreis Unna, aus Gelsenkirchen und Dortmund haben.
Die langen, blonden Haare über dem anfangs erwähnten Hinterteil wurden ebenso schon häufiger gesehen. „Es waren auch mal zwei Frauen, die zusammen in einem Auto angekommen sind. Eine ist dann zu einem Mann in ein anderes Auto gestiegen. Zu der anderen ist ein Mann gekommen“, berichtet eine Hundebesitzerin. „Die haben quasi getauscht.“ Sie hat sich mittlerweile an die Gemeindeverwaltung gewandt. „Hier gehen schließlich auch Familien mit Kindern spazieren“, weiß sie. Die müssten nicht mit solchen Bildern konfrontiert werden.
Eine Mitarbeiterin des Bönener Ordnungsamtes hat sich den Parkplatz daraufhin angesehen, die Polizei ist informiert. „Wir sind im Dezember auf die Situation hingewiesen worden. Seitdem ist von uns dort insgesamt zehnmal an verschiedenen Tagen zu unterschiedlichen Uhrzeiten kontrolliert worden“, bestätigt Fachbereichsleiter Jörg-Andreas Otte aus dem Rathaus. Bisher hätten seine Kollegen aber noch niemanden in flagranti erwischt. „Wir werden die Örtlichkeit weiterhin kontrollieren“, kündigt Otte jedoch an.
Werden sie ertappt und landen vor Gericht, kann das die Intimpartner ziemlich teuer zu stehen kommen. Sie verstoßen mit dem öffentlichen Liebesspiel gegen Paragraf 183a des Strafgesetzbuches: Sie erregen sich schließlich nicht nur selbst und gegenseitig, sondern zudem ein öffentliches Ärgernis. Theoretisch ist dafür sogar eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr möglich.